Kritiken zu „Bin ich verliebt!“

NÜRTINGEN. „Da sprach sie schnell: Die Zeit ist karg, ich zimm’re Deinen Totensarg!“ Romantisch-morbid träumte der jüdischstämmige Düsseldorfer Heinrich Heine zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Den Traum in Reime gefasst nahm die Tübinger Klezmer-Gruppe Jontef zwei Jahrhunderte später wieder auf, sodass am vergangenen Freitag auch das Nürtinger Publikum in der Kreuzkirche an diesem süß-schauerlichen Gänsehauterlebnis teilhaben konnte.

„Bin ich verliebt“ heißt das neue Programm von Jontef, in dem die vier Musiker aus Tübingen das erwähnte und andere Gedichte des rheinländischen Spötters mit alten und neuen jiddischen Liedern verknüpfen, die überwiegend der Liebe gewidmet sind. Jener Himmelsmacht also, der es auch zu verdanken ist, dass, wie Klarinettist Joachim Günther mitteilte, Jontef mittlerweile zu einem Stück Nürtingen geworden sei.

Das passt ins Bild. Schließlich scheint gerade Nürtingen ein besonders empfängliches Pflaster für die Klänge jiddischer Festtagsmusik zu sein. Nach Giora Feidmans grandiosem Konzert in der Nürtinger Stadtkirche und der so ganz anders gearteten Auseinandersetzung des Duos „Nu“ mit dem Klezmer hatte man am Freitag dennoch fast „volles Haus“ in der Kreuzkirche, was zum einen daran liegen mag, dass Günther, der Geiger und Gitarrist Wolfram Ströle und Bassist Peter Falk in Nürtingen keine Unbekannten sind, zum Zweiten aber sicher auch daran, dass es sich bei Jontef nicht zuletzt dank ihres charismatischen Sängers, Percussionisten und packenden Erzählers Michael Chaim Langer um einen lupenreinen Hochkaräter des Genres handelt, der seit 1988 von Konzert zu Konzert seine Anhängerschaft vermehren kann.

Wie in Trance versenkt sich Langer in die Themen seiner Lieder. Von erstickender Mutterliebe („Oifn Weg schtejt a Boim“) erzählen sie ebenso wie vom Frisch-verliebt-Sein („Oj Mame“) eines jüdischen Backfisches; aber auch von der Liebe zum Leben und fernen Ländern („Rumenie“). Und immer wieder streut Michael Chaim Langer ein Heine-Gedicht dazwischen, mal kürzer, mal ein längeres, meistens mit einer augenzwinkernden Pointe endend, die natürlich auch dem Publikum nicht entgeht.

Authentizität und darstellerische Präsenz machen Langer zu einem packenden Anekdoten- und Geschichtenerzähler, was im neuen Programm zugunsten der Musik leider etwas in den Hintergrund geraten ist.

Umso spannender gestaltete er am Freitagabend die Geschichte von Leo Rosenbachs Brautschau. Mit packender Mimik und Körpersprache werden der Hoffotograf Ludwigs II. von Bayern, das Mädchen Jana und ihr wütender Vater vor den Augen der Zuhörer lebendig, wie sie nur irgend sein könnten.

Doch nicht zuletzt die Musik macht ein Jontef-Konzert zu dem, was der Name der Gruppe ausdrückt – zu einem wahren Fest. Besonders mit seinen Neuvertonungen der Heine’schen Verse, aber auch mit den Arrangements traditioneller jiddischer Lieder macht Joachim Günther sein überragendes musikalisches Talent deutlich – um es als Instrumentalist an der Klarinette und dem Akkordeon mehrfach zu unterstreichen.

Auch Wolfram Ströle an Geige und Gitarre sowie Bassist Peter Falk lassen keinen Zweifel aufkommen, dass ihr Beitrag erst den mitreißend-stimmigen Stil der Band ergeben. Nach zwei Stunden Musik, Rezitation und jiddischer Erzählkunst vom Feinsten gipfelte das Jontef-Konzert in einem Stück, das den Fans der Truppe bereits als Klassiker unverzichtbar geworden ist: „Wenn der Rebbe tanzen geht.“ 

Heinz Böhler

Nürtinger Zeitung (9.3.2009) 


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Mitreißender Auftritt des Ouartetts "Jontef" in der Alten Sparkasse

Westfälische Nachrichten (11.3.2008, von Marianne Laun)

Ibbenbüren. Sie betraten die Bühne ohne jegliches Getöse, grüßten freundlich, nahmen ihre Instrumente und begannen zu spielen. Aber wie! Binnen Minuten gewannen die vier Äußerst sympathisch auftretenden Virtuosen des Klezmer-Quartetts "Jontef" mit ihrer Musikalität und einer ungeheuer positiv stimmenden Ausstrahlung das Publikum in der Alten Sparkasse für sich. Mit ihrem Programm "Bin ich varliebt" machten sie den Abend entsprechend ihrem Namen, der auf iiddisch soviel bedeutet wie "Festtag", für alle Anwesenden zu einem wahrlich ganz besonderen Erlebnis.

"Bin ich varliebt" erwies sich als eine Herz und Verstand gleichermaßen ansprechende Zusammenstellung, jiddischer Musikstücke und neu vertonter lyrischer Perlen aus Heinrich Heines "Buch der Lieder". Wie der Titel schon sagt, drehte sich dabei alles um die Liebe in ihren verschiedenen Facetten, um Freud und Leid der Liebenden, der Geliebten und mitleidender Angehöriger, aber zum Beispiel auch von der Liebe zur Heimat, von vergangenen Zeiten und vom Leben im jüdischen Städtchen oder Dorf, dem "jiddisch Stetl" eben. Und um diesen Gefühlswelten umfassend und liebevoll nachzuspüren, bediente sich das Quartett neben der Klezmer-Musik auch der humorvollen Geschichte, der Anekdote und des Witzes. Heraus kam dabei eine temporeiche und zugleich ergreifende Darbietung, deren unnachahmliche Wirkung neben den geschickt gewählten und nahtlos und elegant ineinander übergehenden Inhalten besonders dem virtuosen Spiel der drei herausragenden Musiker Joachim Günther (Komposition, Arrangements, Klarinette), Wolfram Ströle (Gitarre und Violine) und Peter Falk (Kontrabass) und dem Auftritt des charismatischen Schauspielers und Sängers Michael Chaim Langer zu verdanken war.

Überbordende Glückseligkeit vermittelten Lieder wie "Zog es mir nokh amol" ("Sag es mir noch einmal") oder "Oj Mame" , von Liebeskummer zeugten solche wie "Libesshmertsn" ("Liebesschmerzen"). Um Sehnsucht dagegen und davon, dass die Liebe auch leicht gar nicht ernst sein kann, zeugten die Verse "Mir träumte wieder", "Du liebst mich nicht" und "In den Küssen" von Heine, dessen liedhafte Gedichte sich wegen der geringen Strophenzahl, ihrer Prägnanz und ihrer unkomplizierten Metrik ganz besonders für die Vertonung eignen und bei aller Wehmut und Schärfe oftmals amüsieren. Günther, Ströle und Falk interpretierten ihre Musik nicht nur mit technischer Perfektion, sondern auch mit Herz und Seele, sodass sie berührte und bewegte. Sie ließen zusammen oder auch als Solisten ihre Instrumente quasi lebendig werden und mit all den ihnen eigenen Möglichkeiten geradezu lachen und weinen, singen, erzählen und streiten.

Heiter, aber auch nachdenklich stimmten die brillanten und fesselnden Auftritte Langers, der wenn er nicht gerade sang, rezitierte oder eine oder gar mehrere Personen auf einmal darstellte, die anderen mit diversen exotischen Schlaginstrumenten wie der Djembe, kleinen Holzröhrentrommeln oder Finger- Cymbeln begleitete. Langer verfügt über eine Ausstrahlung, der man sich schwerlich entziehen kann, und über ein ungeheures schauspielerisches Talent.

Das und seine Gabe, das Publikum augenblicklich mit seinem Blick und seinem Auftreten in den Bann zu schlagen und die überragenden Qualitäten der drei Musiker machten den Abend mit seiner Fülle von Texten und Liedern äußerst unterhaltsam und zugleich herzerwärmend, eben zu einem jener Abende, von denen man noch lange zehrt und die man keinesfalls verpasst haben möchte.

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Nicht nur Schtetl-Nostalgie

Eröffnung der 11. Jiddischen Musik- und Theaterwoche Dresden

(Dresden, 22.10.2007) 

Drei Musiker mit Klarinette, Akkordeon, Violine, Gilarre und Kontrabass gruppieren sich da um den in Israel geborenen Schauspieler Michael Chaim Langer. Ihr Programm "Bin ich verliebt" verbindet traditionelle jiddische Lieder und Geschichten auf zwanglose Art und mit gekonnter Dramaturgie mit Dichtungen Heinrich Heines, ohne dass ein Bruch zwischen den Bestandteilen spürbar wird. Die Professionalität des Quartetts erweist sich in einer überzeugend dargebotenen Kombination aus sicherer Beherrschung der Mittel, die nie in bloße Routine umschlägt, und einer darstellerischen Frische, die oft wie eine gut vorbereitete Improvisation wirkt. Ein Gesangsstil ohne falsches Pathos, gute Arrangements, geschickte Obergänge, ein sparsamer Kanon an Bewegungen und nicht zuletzt die Fähigkeit, das Publikum in die jeweils gewünschte Stimmung zu versetzen, ohne dass sich Langer die Seele aus dem Leib singen oder spielen musste, nahmen die Zuschauer für "Jontef" ohne Verzögerung ein. Die Gedichte Heines behielten ihren literarischen Eigenwert, weil die Darsteller gar nicht erst den Versuch unternahmen, die Texte dem sonst von ihnen praktizierten Klezmer-Stil anzupassen. Beides behielt seine Selbständigkeit und ging dennoch zusammen.

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Heine als unwiderstehlicher Liebeslyriker


(Bettina Bausch, Calw, 17.5.2007)

 Die Tübinger Klezmergruppe Jontef (auf jiddisch Festtag) war mit ihrem neuesten Programm in der Calwer Stadtkirche zu Gast und zog zahlreiche Musikfreunde in ihren Bann. "Bin bin varliebt!", lautete der Untertitel in echtem Jiddisch und "Sog es mir noch amol... ".

"Oj Mame, bin ich varliebt..." lautete der Text gleich im ersten Beitrag. Mit "Liebesschmerzen" ging es weiter und "Unter a klejn bejmele" (Unter einem kleinen Baum) sitzen zwei Burschen und reden über ein Mädchen.

Im weiteren Verlauf ließen die Musiker weniger bekannte Texte von Heinrich Heine erklingen. Heine als Außenseiter, als Spötter, als Kritiker, als Revolutionär? Ja! Aber Heine als Dichter unwiderstehlicher Liebeslyrik? Das war für viele neu und deshalb faszinierend und oft geradezu spannend.

"Wir träumten wieder den alten Traum... , wir saßen unter den Linden und schworen uns ewige Treue", lautete so ein Heinsches Liebeslied. Oder: "Saphire sind die Augen dein" erklang ein anderer Heine-Text Jedoch selbst in seiner Liebeslyrik dann auch wieder

sarkastische Töne eines offenbar Enttäuschten mit schlechten Erfahrungen: "In den Küssen, welche Lüge ... ".

Diese Heine-Texte erlebten die Besucher mal in getragen-melancholischer, mal in lebendig-temperamentvoller Klezmermusik, die ja von ihrem jiddischen Ursprung her Hochzeitsmusik ist, wie sie im jüdischen Stedl Osteuropas gespielt wurde.

Die immer wieder wechselnde instrumentale Besetzung mit Klarinette, Akkordeon, Violine, Gitarre, Kontrabass und Rhythmus-Instrumenten brachten nicht nur musikalische Vielfalt, sondern schuf immer wieder faszinierende neue Klänge, wie es die Texte verlangten.

Der in Israel geborene Schauspieler Michael Chaim Langer zeigte bei der Interpretation viel sängerisches Einfühlungsvermögen und innere Anteilnahme. Die eingestreuten Geschichten und Anekdoten aus der Lebenswelt des jiddischen Stedl's waren einerseits unterhaltsam und amüsant und gleichzeitig trugen sie zum besseren Verständnis der Klezmermusik bei.

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Klezmer-Musik mit der Gruppe Jontef im Kleinkunstkeller in Bietigheim-Bissingen

Einblicke in eine andere, ferne Welt mit Herz, Schmerz und viel Humor In ein wahres Wechselbad der Gefühle tauchte die Tübinger Klezmergruppe Jontef ihre Zuhörer im Kulturkeller am vergangenen Freitagabend. Nur zu willig ließ sich dieses entführen in die Welt der traditionellen Klezmermusik der osteuropäischen Juden. …

In dieser Rolle beeindruckte der in Israel geborene Schauspieler Michael Chaim Langer. In locker eingefügten szenischen Einlagen trieb er den Zuschauern die Tränen in die Augen - mal vor Lachen, mal vor Rührung. Denn die überwiegend jiddischen Lieder wurden immer wieder unterbrochen von erheiternden Anekdoten aus der jüdischen Lebenswelt und Gedichten und Balladen von Heinrich Heine, den sich Jontef in sein neuestes Programm geholt hat. So hatten Liebesglück und -Leid ihren Platz neben pointierten Aphorismen und schaurigen Todesengeln der Romantik. Langers

hervorragenden schauspielerischen Qualitäten war es zu verdanken, dass der Abend trotz der Textfülle kurzweilig und amüsant blieb.

Das traditionelle Instrumentarium um den Sänger, Schauspieler und Percussionisten Michael Chaim Langer stellen Joachim Günther (Klarinette und Akkordeon, Komponist und Arrangeur), Wolfram Ströle (Violine und Gitarre) und der Kontrabassist Peter Falk. Jeder Einzelne überzeugte in oft minutenlangen Soli als Meister seines Fachs. Höchst virtuos keckerte die Klarinette ihre für die jiddische Musik so charakteristischen Lacher. Ihre ausdrucksstarken Melodien vermochten ebenso zu weinen als zu lachen. Das Akkordeon lieferte oftmals den gebrochenen melancholischen Grundton, während die Fiddel in schleifenden Disonanzen schweifte. Berstendes Glück mit treibenden Tempi in den Tanzliedern kam dabei ebenso zum Ausdruck wie herzergreifende Taumzustände zwischen Bangen und Sehnen.

Trotz der heiteren Weisen und der zungenbrecherischen Texte, die zum Schmunzeln brachten, hatte der Abend immer wieder etwas Wehmütiges, fast Melancholisches. Das mochte auch darin begründet sein, dass dem an Klezmer interessierten Publikum wohl bewusst war, dass hier eine verloren gegangene Kultur auf die Bühne gebracht wurde, die zwar musikalisch noch gepflegt, aber in unserem Land kaum noch praktisch gelebt wird. Umso erfreulicher ist ein solcher Abend, der Einblick in eine andere, ferne und doch so nahe Welt gibt und dabei so großen Zuspruch erfährt. Jontef bedeutet im Jiddischen so viel wie Festtag. Und ein solcher war es für alle Anwesenden.

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Jontef: Begnadete Musikanten boten fröhlich-wehmütige Klezmermusik in der Theaterfabrik Traunreut

(Traunreut, 6.7.2006)

 Jontef - das sind begnadete Musikanten: Der Ausnahmemusiker Hans Joachim Günther, der auch auf dem Akkordeon zu Hause ist, der virtuose Geiger Wolfram Ströle, der auch die Gitarre bedient und Peter Falk, dem der Kontrabass willig gehorcht.

Angeführt werden sie vom Schauspieler-Sänger Michael Chaim Langer - und sie widmen sich mit Leib und Seele der Klezmer. ... Das zentrale Thema war die Liebe in all ihren Schattierungen und Ausprägungen. In (kon)genialer Art hat Jontef einige Gedichte aus Heinrich Heines unwiederstehlicher Liebeslyrik neu vertont und sie in faszinierender Weise den neuen "alten" jiddischen Liedern gegenübergestellt und verschwistert. So folgte auf Heines "Ein Jüngling liebt ein Mädchen" ein klagendes Stück von Liebessehnsucht und -schmerz; so verband sich Heines tief gefühlte Huldigung an die Mutterliebe nahtlos mit Klezmerintensität, die sich ins Unendliche bis zur Ekstase steigern wollte.

Michael Chaim Langer verführte mit seiner ausdrucksstarken, wandelbaren Singstimme genauso wie als Sprecher, sparsam von seiner Mimik und seinen Händen unterstützt. ... Aus seinem Klezmorim-selbstverständnis heraus kann er natürlich nicht unbeteiligt dastehen, wenn seine Freunde musizieren; er unterstützt sie mit dem Tamburin, der Tschembe, mit Röhrenhölzern, die er mit seinem Klöppel anschlug und mit Tschinellen, die kaum größer waren als der Fingernagel seines Daumens. So entwickelte sich Musik zwischen Zärtlichkeit und Wildheit, die mitriss und erschreckte zugleich; die Geige jubelte und schluchzte, die Klarinette lachte und flehte. ... Unverzichtbar für das musikalische Geschehen zupfte und strich Peter Falk seinen Bass , hatte aber auch seine gigantischen Soli: Unglaublich spannend war sein Zwiegespräch mit der Klarinette. ...

Engelbert Kaiser

 

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